VERTRAUEN IST EIN SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG – Interview mit Antje Heimsoeth

Vertrauen entscheidet. Die vergessene Basis der Führung. Von Antje Heimsoeth, Haufe Verlag 2019
#Erfolg

Immer mehr Lebensbereiche sind von Automatisierung und Digitalisierung geprägt, welche Rolle spielt da noch das Vertrauen? Eine immense Rolle, es ist zentral! Moderne Unternehmensführung und agile Arbeitsweisen sind ohne Vertrauen nicht machbar. Wie man Vertrauen aufbaut, was das mit Selbstvertrauen zu tun hat und wie du das für dich nutzen kannst, erzählt uns die Expertin für Positive Leadership und Motivation Antje Heimsoeth im Interview.

Liebe Frau Heimsoeth, wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Buch über Vertrauen und Führung zu schreiben?

Das Bücherschreiben lässt mich einfach nicht los. Kaum ist eines fertig, habe ich meist schon die ersten Ideen für ein neues Buch gesammelt. Und halte ich dann das aktuelle Buch gedruckt in Händen, juckt es mich auch schon wieder in den Fingern. Bei jedem neuen Buch muss man natürlich erst einmal prüfen, ob bzw. wie viele andere Autoren und Bücher zum geplanten Thema es aktuell gibt.

Beim Thema Vertrauen stellte sich schnell heraus, dass seit längerem niemand mehr etwas darüber geschrieben hatte. Vor allem nicht in Bezug auf Führung. Es hat aber auch noch aus einem anderen Grund sehr gut gepasst: Ich wollte zum einen ein Thema nehmen, bei dem es Schnittflächen gibt zu meinen vorhandenen Schwerpunkten. Zum anderen erarbeite ich mir gerne über die Recherche und das Schreiben an einem Buch auch ein komplett neues Thema.

In der Zusammenarbeit mit vielen Führungskräften in unterschiedlichsten Unternehmen habe ich immer wieder festgestellt, dass Selbstvertrauen und Vertrauen ganz viel miteinander zu tun haben.

Die Idee, daraus einmal etwas mehr zu machen und thematisch tiefer zu gehen, entstand schon relativ früh, aber es muss halt auch immer irgendwie passen. Der Zeitpunkt für das Buch war einfach da und jetzt genau richtig. Und ich finde es tatsächlich auch über das Buch hinaus immer noch spannend, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen.

Für mich ist „Vertrauen und Führung“ nicht so leicht zu greifen wie zum Beispiel die Thematik Mentale Stärke. Darüber habe ich ja schon viel geschrieben. Dazu gibt es heute viele Studien. Beim Thema „Vertrauen“ gab es aus wissenschaftlicher Sicht nicht allzu viel, aber gerade das machte es so spannend, sich in diese Thematik einzuarbeiten.

Hilfreich waren hier aber vor allem Interviews und Austausch mit elf Unternehmern, Trainern, Vorstände und Spitzensportlern – aus der Praxis. Sie alle erläuterten, was sie unter Vertrauen verstehen und warum ihrer Meinung nach Vertrauen so wichtig ist – im Beruf, in Unternehmen, in der Wirtschaft, im Sport. Anhand eigener Erlebnisse erzählen sie, wie man erkennt, ob man jemanden vertrauen kann, welche Bedingungen die Entwicklung von Vertrauen begünstigen und welche Erfahrungen sie gemacht haben, wenn ein Vertrauensverhältnis zerstört wurde.

Die Arbeit an dem Buch hat mir gezeigt, dass sich Menschen in allen Bereichen ein Klima des Vertrauens wünschen.

Das fördert, wie das Wissen um den Sinn des eigenen Tuns, nicht nur die Zufriedenheit des Einzelnen, sondern auch das Gelingen im Team sowie den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Erstaunlich ist für mich, dass es oft eine Wunschvorstellung bleibt. Genau deshalb habe ich das Buch geschrieben, um Menschen zu ermuntern, sich selbst vertrauensvoll anzunehmen und zugleich anderen leichter Vertrauen zu schenken.

Warum ist es so wichtig, Vertrauen zu schaffen?

Antje Heimsoeth: Weil es vielfach fehlt. Wir zweifeln an Entscheidungen, den eigenen und denen anderer. Wir sind unsicher und suchen deshalb Bindung. Genau diese Bindung, der Kit, der uns im Unternehmen und im Team zusammenhält, ja regelrecht zusammenschweißt, ist Vertrauen.

Gegenseitiges Vertrauen macht alle miteinander kreativer.

Wir denken offener und handeln flexibler, weil wir bereit sind, Wissen zu teilen und Veränderungen anzugehen. Die fortschreitende Digitalisierung sorgt dafür, dass Teams von unterschiedlichsten Standorten aus miteinander arbeiten müssen. Feste Arbeitsplätze für den einzelnen Mitarbeiter nehmen ab, dafür nehmen Co-Working-Spaces und Crowdsourcing zu. In einem solchen agilen Umfeld ist es umso wichtiger, dass Menschen sich vertrauen – ohne sich jeden Tag persönlich zu sehen.

All diese Entwicklungen zeigen einmal mehr die Notwendigkeit von Vertrauen in Gemeinschaften auf, und das sowohl im privaten wie auch im beruflichen Umfeld. Ob zwischen einzelnen Menschen, zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, zwischen Verkäufer und Kunde, zwischen verschiedenen (Projekt-)Teams oder zwischen Unternehmen: Vertrauen entsteht in einem gegenseitigen Prozess, im Idealfall mit einem ausgewogenen Geben und Nehmen. Gebe ich Vertrauen, bekomme ich es wieder zurück – meistens zumindest.

Umgekehrt gilt: Wenn mir ein anderer nicht vertraut, warum sollte ich ihm dann Vertrauen schenken? Im Buch stelle ich ganz bewusst aber auch die Frage: Oder warum auch nicht?

Jemanden zu vertrauen, bedeutet ja dieser Person etwas zuzutrauen. Sollten Unternehmer ihren Mitarbeitern mehr zutrauen?

Antje Heimsoeth: Absolut!

Für mich ist Vertrauen die Basis dafür, dass Unternehmen agil werden und wirken können.

Das gelingt nur, wenn Führungskräfte bereit sind, Verantwortung abzugeben – und Mitarbeiter bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Voraussetzung dafür ist gegenseitiges Vertrauen. Vertrauen bedeutet für mich und das haben auch viele meiner Interviewpartner im Buch bestätigt, sich jemandem anzuvertrauen. Menschen folgen anderen, gemäß dem Grundsatz: „Vertrauen schafft Vertrauen und Misstrauen schafft Misstrauen.“

Nimmt der Einfluss ab, versuchen Führungskräfte oft mit einem erprobten – wenn auch nicht mehr ganz zeitgemäßen – Mittel, ihren Einfluss und damit auch ein Stück weit Macht zurückzugewinnen. Kontrolle wird dann großgeschrieben. Dabei geht es in erster Linie nicht nur darum, das fehlende Vertrauen inklusive fehlendem Einfluss wiederzugewinnen. Es geht vielmehr darum, die eigene Unsicherheit zu überspielen und das Gefühl aufrechtzuerhalten, alles im Griff zu haben. Auch wenn man davon in diesem Moment weit entfernt ist und die Kontrollfunktion einem nur vorgaukelt, es laufe schon alles, wie es soll.

Vertrauen Unternehmer ihren Mitarbeitern nicht, sind die mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die Zusammenarbeit oftmals verheerend. Die Mitarbeiter fühlen sich im Moment vielleicht nur gegängelt, auf Dauer jedoch verlieren sie auch noch den letzten Funken an Vertrauen und Respekt. Eine Entwicklung, die sich oftmals nicht mehr rückgängig machen lässt.

Für mich ist entscheidend: Lebe als Führungskraft vor, was du von deinen Mitarbeitern und Kollegen erwartest. Veränderung beginnt bei dir als Führungskraft. Gerade wenn wir also von Vertrauen sprechen, kann dieses nur wirken, wenn wir es vorleben und wir uns unserer eigenen Vorbildfunktion bewusst sind. Gut, wenn das gepaart mit einer gesunden Selbsteinschätzung vonstattengeht.

Vertrauen in andere hat also auch etwas mit dem Vertrauen in sich selbst zu tun?

Antje Heimsoeth: Richtig!

Man kann selbst nur Vertrauen schenken, wenn man über Selbstvertrauen verfügt.

Ausschlaggebend dafür ist zu einem großen Teil die eigene Kindheit, das beginnt unbewusst bereits im Mutterleib, und die Erfahrungen, die man darüber hinaus im Leben gemacht hat. Hat man in jungen Jahren – unabhängig von der eigenen Leistung – viel Zuwendung und Vertrauen erfahren, traut man sich selbst mehr zu und baut später leichter Vertrauen zu anderen auf. Auch Risiken, beispielsweise jemandem zu vertrauen, der das im Nachhinein gesehen nicht verdient hat, werden eher eingegangen. Der Rückhalt des eigenen Umfeldes schafft Sicherheit. Und diese Sicherheit gibt Vertrauen und lässt Vertrauen zu.     

Was könnte ich also tun, um meine eigenen Fähigkeiten zu stärken, mir und anderen mehr zu vertrauen?

Antje Heimsoeth: Neben Beachtung sowie positiver Resonanz von außen und der Wertschätzung durch Dritte ist sehr stark die Selbstwahrnehmung daran beteiligt. Wer sich auf sich selbst verlassen kann und sich selbst kennt, stärkt seinen Selbstwert.

Sein Selbstvertrauen zu stärken, um sich positiv zu verändern, beginnt mit einer Erkundung bei sich selbst, bei der Selbsterkenntnis der eigenen Werte und Stärken – sowohl beruflich wie auch privat. Die Betrachtung verschiedenster Aspekte und Details hilft dabei.

Für verschiedene Lebensbereiche wie Beruf, Sport, Partnerschaft, Gesundheit, Karriere usw. können durchaus unterschiedliche Werte wichtig sein. Dabei kann es auch zu Überschneidungen kommen. Außerdem gibt es Werte, die sich im Laufe der Zeit in ihrer Wichtigkeit und Bedeutung für Ihre persönliche Situation verändern.

Hinsichtlich der eigenen Stärkenanalyse helfen folgende Fragen: Welche Fähigkeiten, Stärken, Talente, Gaben, Kompetenzen, Ressourcen, welche Anlagen und Charaktereigenschaften zeichnen Sie aus? Was haben Sie schon alles erreicht? Worin sind Sie bereits erfolgreich? Welchen Eigenschaften und Fähigkeiten verdanken Sie die Erfolge der Vergangenheit? Welche Fähigkeit beherrschen Sie besonders gut? Was können Sie besonders gut? Was machen Sie besonders gerne? Woran haben Sie Freude? Was machen Sie mit Begeisterung und Leidenschaft? Worauf sind Sie besonders stolz? Welches spezielle Talent, welche Stärke, welche Eigenschaft hat niemand sonst zu bieten? Was gelingt Ihnen weit besser als Anderen? Was haben Sie in der Vergangenheit besonders gut hinbekommen? Wofür bewundern oder beneiden Sie andere? Wofür bekommen Sie Komplimente, Lob oder Bewunderung von anderen? Welche Charaktereigenschaften und Stärken schätzen andere an Ihnen besonders?

Zum Schluss noch ein konkreter Tipp für mehr (Selbst-)Vertrauen:

Erstellen Sie eine „Ich mag an mir“-Liste oder „Ich schätze an mir …“-Liste. Notieren Sie auf dieser Liste alle Eigenschaften, Wesenszüge und Fähigkeiten, auf die Sie stolz sind. Seien Sie möglichst großzügig. z.B. Ich mag mich, weil ich ein guter Zuhörer bin, weil ich wertschätzend mit anderen Menschen umgehe, weil … usw.

Wenn Sie die „Ich-mag-an-mir“-Liste geschrieben haben, dann suchen Sie sich einen Freund oder eine Kollegin und lassen sich die Liste vorlesen. Danach tauschen Sie sich mit Ihrem Gegenüber aus und spüren nach, wie es Ihnen damit ging, diese „Ich-mag-an-mir“-Liste mit allen Punkten zu hören. Das schafft Selbstvertrauen und damit die Basis, auch anderen Vertrauen schenken zu können.

Vielen herzlichen Dank für dieses spannende Interview, Frau Heimsoeth.

Über die Autorin:

Antje Heimsoeth ist Expertin für Positive Leadership und Motivation

Antje Heimsoeth ist eine der bekanntesten Mental Coaches im deutschsprachigen Raum. Sie ist „Deutschlands renommierteste Motivationstrainerin“ (FOCUS), „Vortragsrednerin des Jahres 2014“, „Top 100 Erfolgstrainer“ (Magazin ERFOLG) und Expertin zu den Themen mentale und emotionale Stärke, Motivation und Selbstführung. Ihr Know-how beruht auf Praxiserfahrungen, die durch wissenschaftliche Impulse stets untermauert werden. Mit „Vertrauen entscheidet. Die vergesse Basis der Führung“ hat sie ein Fachbuch zu einem wichtigen Thema und Erfolgsfaktur unserer Zeit herausgebracht. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Mentaler Stärke, Motivation, Persönlichkeit und Führung sind diesem Werk bereits vorangegangen. Mehr Infos unter www.antje-heimsoeth.com oder www.heimsoeth-academy.com.